Donnerstag, 4. Juli 2019
Als Jugendliche haben wir so manche Radtouren unternommen. Mit meinem Bruder radelte ich an die Nordsee, mit meiner Schwester Christa von Mainz aus nach Bamberg und zu Dritt unternahmen wir 1970 eine Tour in den Schwarzwald. Zu der damaligen Zeit gab es bei weitem noch nicht so viel Verkehr wie heute. Das Straßenbild hat sich seitdem extrem verändert. Gerne denke ich heute an diese Zeit vor knapp 50 Jahren zurück. Zwar haben meine Kräfte stark nachgelassen, aber der Wunsch, nochmals eine Radtour zu unternehmen, hat mich nie so richtig losgelassen. In den letzten 3 Jahren waren wir mit dem Wohnmobil auf Sizilien unterwegs; auch dort fuhr ich immer gerne mit dem Rad in die entlegensten Bergregionen. Jetzt sind wir seit 2 Wochen wieder in Deutschland, und ich beschloss kurzfristig erstmals wieder hier eine Radtour zu unternehmen. Für Rosi ist eine solche Tour keine gute Wahl, weil, ich neige hin und wieder zu Extremen, außerdem verträgt sie die heißen Temperaturen nicht. Wie dem auch sei, einmütig haben wir entschieden, dass ich alleine fahre.
Ein paar wenige Vorbereitungen waren nötig, Rosi hat mir dankenswerterweise noch einen kurzen Haarschnitt verpasst und bei sonnigem Wetter, aber kühlen Temperaturen bin ich heute morgen um 9 Uhr losgefahren. Mein Ziel soll Tauberbischofsheim in Baden-Würtemberg sein. Neulich traf ich auf ein Ehepaar, dass gemeinsam mit dem Rad durch Unterbreizbach unterwegs war. Der Mann, etwa mein Alter war dünn, fast könnte man sagen hager und wir begonnen in ein nettes Gespräch. Er berichtete, dass sie von Schlitz nach Schenklengsfeld fuhren. Angesprochen auf die Schmerzen am Hintern wußte er zu berichten, dass es jeden Tag aufs Neue nach etwa 30 Kilometer anfängt weh zu tun. Bei mir fingen die Po-Schmerzen heute schon nach 20 Kilometer an. Das kann ja heiter werden. Aber wenn ich mich auf die schöne Landschaft, Wiesen und Wälder konzentriere, denke ich überhaupt nicht an mein Hinterteil. Erst beim Absteigen quälen mich die Schmerzen am Allerwertesten. Mein großes Laptop habe ich natürlich aus Gewichtsgründen nicht in die Satteltaschen verstaut. Mit dem Tablet ist die Handhabung für unseren Blog erheblich schwieriger. Ich will es versuchen.
Die ersten Kilometer waren ganz schön kalt auf dem Rad.
Hier stand vor 30 Jahren noch die beschissene Mauer, die Thüringen von Hessen trennte. Was können wir so dankbar sein, dass diese Zeit des kalten Krieges vorbei ist und nur noch in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist. --- Meine Reiseroute habe ich schon zu Hause mit GoogleMaps vorbereitet. Niemals hätte ich gedacht, dass die Strecke mit diesem System mich durch so viele schöne Gegenden führt. In der Planung habe ich das Symbol "Fahrrad" ausgewählt und tatsächlich radelte ich durch Wiesen und Wälder weit ab von belebten Bundesstraßen. Diese Ruhe und Abgeschiedenheit beim Radfahren waren für mich heute wirklich ein grandioses Erlebnis.
Meine Route führte mich durch Mittelaschenbach.
An einem Bauernhof hielt ich an.
Als ich mich den Kühen näherte, drehten sie ihre Köpfe in meine Richtung und begrüßten sie mich irgendwie mit einem freundlichen Lächeln.
Kurze Pause an einem Kornfeld kurz vor Hofbieber. Dort gönnte ich mir eine Tasse Kaffee.
In Dipperz angekommen wollte ich mir natürlich auch die Stadtkirche von innen anschauen, aber leider war sie verschlossen.
Dort war ich Zeuge bei einem Kampf zwischen einem Raubvogel und einer kleinen Taube und konnte dieses Schauspiel mit der Digitalcamera festhalten. Nicht nur zwischen Menschen gibt es Streitereien; in der Tierwelt beobachten wir selten solche grausamen Auseinandersetzungen, die vielleicht auch tödlich enden können.
In Ried kurz vor Motten gab es eine historische Wehrkirche anzuschauen.
Leider habe ich an dieser Stelle nicht mehr Informationen über das Bauwerk erfahren. Ein Blick in das Innere hat sich dennoch gelohnt.
Wenn ich an Siziliens Straßen zurückdenke, kann ich immer nur staunen, dass hier bei uns sogar die kleineren Fahrradwege eine so gute Qualität haben. Hier finde ich keine Schlaglöcher oder geschotterte Pisten. Was können wir so dankbar sein, über eine hervorragende Infrastruktur auch auf dem Land.
Die Sonnenstrahlen wurden intensiver und heißer; jetzt wurde es Zeit für mich, die kurzen Hosen auszupacken.
Auf einem Schild wird dem Wanderer und Radler die "Mottener Haube" angepriesen. Ein Aussichtsturm, der den Blick bei klarem Wetter bis in den Taunus und dem Spessart verspricht. Gerne hätte ich noch diesen Abstecher gemacht. Aber mit Schrecken mußte ich feststellen, dass mein Akku nur noch wenig Strom bis zu meinem Übernachtungsziel in Kothen bereithält. Die Entscheidung nicht dorthin zu fahren, war goldrichtig. Denn die kommenden letzten Kilometer gingen extrem steil bergauf. So extrem, dass ich in der mittlerweile brütenden Hitze mehrfach vom Rad absteigen musste. Mannomann, tat mir der Hintern weh.
Als ich in Kothen ankomme ist der Akku leer. 65,4 Kilometer bin ich heute geradelt. Obwohl ich auf der ganzen Fahrt sehr sparsam mit dem Verbrauch umgegangen bin; dann diese Enttäuschung. Der Verkäufer in Radhaus Schlitz hat mir mehrfach zugesichert, dass man mindestens 80 Kilometer mit einem vollen Akku weit fahren kann. Immer wieder wird man übers Ohr gehauen. Darüber ärgere ich mich sehr, denn ich hätte sicher noch weiterfahren können. Für die Zukunft weiß ich das jetzt auch. Aber: Ich hatte die Pension schon vorgebucht und somit hat sich sowieso eine Weiterfahrt erledigt.
Egal, nassgeschwitzt erreiche ich um 16.30 Uhr meine Übernachtungsherberge.
Hinter der "Rhönperle", über diesen Namen könnte man sich streiten, liegt ein fast vollbesetzter Campingplatz mit ein paar kleineren Fischteichen und einem kleinen See.
Mein Nachtlager wartet schon auf einen erschöpften Gast aus Unterbreizbach. Rückblickend kann ich sagen: Der erste Tag meiner Radtour war sehr schön, auch wenn mein Hintern sicher eine andere Meinung hat. Ich danke für Gottes Schutz und Bewahrung. Morgen geht es weiter nach Lohr am Main. Ich bin gespannt!
Freitag, 5. Juli 2019
Meine müden Knochen haben sich in der ruhigen Nacht der Rhönperle gut erholt, und heute morgen war ich nach einer Dusche wieder topfit. Das Frühstück war ausgezeichnet, auch konnte ich mir belegte Brötchen und einen Apfel für die Weiterreise mitnehmen. Um Punkt 9 Uhr geht meine Reise weiter.
Google Maps hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, denn heute morgen wurde ich auf Feldwegen und schmalen Pfaden geleitet; zeitweise hatte ich Sorge einen Platten davonzutragen. Aber alles ging gut.
Jeder Autofahrer fährt sicher achtlos über diese hohen Brücken der A7, ohne zu wissen, welch eine architektonische Meisterleistung hinter jeder Brücke steht.
Ich blickte demütig nach oben und dachte unweigerlich an Genua und an die eingestürzte Autobahnbrücke. Das dumpfe Rauschen verriet mir, dass heute am Freitag viel Verkehr zu sein scheint.
Der einsame Radweg führte vorbei an diesem Biotop und dann plötzlich stand ich hinter einem Zaun davor.
Der Landrückentunnel. Oft bin ich mit dem ICE schon durchgerauscht. Jetzt warte ich gespannt bis einer dieser Hochgeschwindigkeitszüge unmittelbar vor mir aus dem Tunnel braust. Der Landrückentunnel liegt auf der Bahnstrecke zwischen Hannover - Würzburg und unterfährt den osthessischen Gebirgsstock Landrücken und trägt daher diesen Namen. Mit einer Länge von 10.779 m ist er der längste Tunnel Deutschlands. Es ist totenstille. Ich warte mit der startbereiten Camera. Dann, nach gefühlten 10 Minuten, ein leises Rauschen. Es wird langsam immer lauter und lauter.
Und dann schiesst der ICE aus dem Tunnel und rauscht mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbei. Ich stehe 5 m neben den Gleisen und es ist sehr laut.
Nach 10 Sekunden ist der Spuk vorbei und es ist wieder Totenstille in dieser einsamen Gegend. Puh!
Mein Stromverbrauch ist heute um ein vielfaches besser. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich heute öfters den Akku während der Fahrt ausgeschaltet habe. Außerdem führte die Fahrt durch den Spessart runter zum Main mehrheitlich auf gerader Strecke bzw. bergab. Bei einer kurzen Pinkelpause komme ich in der Einsamkeit mit einem Spaziergänger ins Gespräch; besser gesagt in einen Monolog. Oft denke ich, dass ich viel Geduld habe. Aber er redet und redet, und mit Blick auf meine Kappe meint er, dass er das gesamte Neue Testament gelesen habe. Selbstverständlich auch das Alte Testament, wo Gott erzählen lässt, dass so viel gevögelt wird. Das sei für ihn wirklich das Beste an der ganzen Bibel. Aber er glaube nicht an Gott. Er glaubt nur das, was er sieht. Er redet und redet. Ich komme nicht ein einziges Mal zu Wort. Ausser, dass ich mich freundlich verabschiede und das Weite suche. Mensch Meier, war der eine Nervensäge. Wir Christen sollen ja zu unseren Mitmenschen freundlich sein; aber ich denke, es hat auch Grenzen.
Mein Navi zeigt noch 22 Kilometer bis zu meinem heutigen Zielort Lohr am Main. Zeit für eine Pause.
Mit Genuss esse ich die belegten Brötchen, unterhalte mich per WhatApp mit meiner lieben Frau und trinke viel von dem Leitungswasser, dass ich mir in der Rhönperle in meine Flaschen abgefüllt habe. Nach einer Stunde ist die Pause beendet.
Lange geht es an dem Flüßchen Sinn entlang und ich genieße die liebliche Landschaft.
Mein Blick fällt auf eine Ente, die unterhalb der Brücke nach etwas Fressbarem Ausschau hält.
Dann überquere ich bei Gemünden den Main. Die Sonne bruzelt jetzt, sodass ich meinen Pullover ausziehe.
Am Main entlang radele ich bis Steinbach im Main-Spessart-Kreis. Starker Gegenwind blässt mir ins Gesicht, strampeln fällt schwerer, aber so wird die Hitze erträglich. Steinbach liegt 5 Kilometer vor Lohr am Main und ich habe Appetit auf Kaffee und Kuchen.
Zuvor halte ich noch an der St. Georg Kirche an und werfe einen Blick in das kühle Gemäuer.
In einer Landbäckerei kehre ich ein, bestelle Kaffee schwarz und ein Stück gedeckten Apfelkuchen. Hm, schmeckt der so gut. "Hier schafft man noch mit Herz und Hand".
Die Auslagen in der Bäckerei versprechen dem Kunden wohlschmeckende Backwaren. Für 17.30 Uhr habe ich mich auf Wunsch in meiner Pension angemeldet und fahre langsam weiter. Der leckere Apfelkuchen wird mir noch lange in bester Erinnerung bleiben.
In Bett and Bike darf ich heute Nacht mein Haupt niederlegen. Die Pension liegt hoch über Lohr am Main auf einem Berg, und ich musste meine letzten Kraftreserven aktivieren, um das Ziel zu erreichen.
Die Besitzer sind nett und freundlich und sogleich wurde ich mit den Regeln des Hauses in einem großen Vortrag vertraut gemacht. Nach einer kurzen Verschnaufpause sauste ich den Berg wieder hinunter, um wenigstens mal kurz durch die Altstadt des Städtchens am Main zu flanieren. Einige Impressionen habe ich hier eingefangen.
Für lange Besichtigungen war mein eigener Accu zu leer. Der Hausherr meiner Unterkunft wies mich ebenfalls darauf hin, dass Lohr etwas mit Schneewitchen zu tun hat.
Der Spiegel, dessen Glas auch in Versailles Verwendung findet, sei eine wichtige Sehenswürdigkeit. Und prompt habe ich davon gleich ein Bild gemacht.
Die Temperaturen zeigten noch über 30 Grad.
Auf einer Bank am Main habe ich meine kurze Stadtbesichtigung nach der heutigen 70 Kilometer langen Tour beendet. Ich war ziemlich erledigt und erfreute mich an diesem herrlichen Ausblick auf das Wasser.
Der nahegelegene Wohnmobilstellplatz direkt am Main weckte zum Schluss auch noch mein Interesse. Ich dachte zurück an eine Übernachtung mit Rosi in Wertheim im letzten Jahr. Dann ging es wieder sehr steil nach oben, und ich freue mich auf einen hoffentlich guten Schlaf. Dankbar darf ich auch heute wieder sein. Ich habe soviel gesehen und auch etwas erlebt. GOTT SEI DANK.
Samstag, 6. Juli 2019
Nach dieser Hitze gestern in Lohr habe ich mir noch 3 Bier auf der Terrasse meiner Pension genehmigt. Daraufhin habe ich bestens geschlafen, nicht ohne zuvor Gott zu danken für den wunderschönen Tag. Auch mein Hintern war für diese Auszeit überaus dankbar.
Heute morgen, nach einem deftigen Frühstück ging meine Tour auf dem Main-Radweg weiter südlich.
Schon nach kurzer Zeit mußte ich meinen blauen Pulli ausziehen; ich spürte, wie die Schweißtropfen den Rücken runter liefen. Der wunderschöne Fahrradweg den Main entlang begleitete mich bis nach Wertheim.
Auf einer Bank ruhte ich zwischendurch aus und trank mein noch kühles Wasser. Ein total nassgeschwitzter Radfahrer mit Anhänger stoppte auch an gleicher Stelle. Kurz darauf traf auch seine Frau auf ihrem Rennrad ein. Der Hund sprang aus dem Hänger und lief mit Frauchen keuschend zum Wasser. Der Mann stieg vom Rad und trocknete seinen Kopf mit einem Handtuch ab. "Gudde Mosche, ei mir kumme aus Frankfurt un habbe in Mainaschaff übernachtet. Alleweil müsse wir kurz ausruhe, de Fahrt jeht weider noch Schweinfurt. Dann wolle mer runner mache noch Ulm. Dott kummt dann de Schwester os Amerika uf de Campingplatz. Des wird e doll Sach. Mein Fra is scho ganz wild of ihrne Schwester. Nach äner Woch mache wir donn ins Allgäu. Dot gehn mir wandern. Es is zwor schlecht Wedder ogesogt, aber wir wade donn. Vielleicht wärts jo besser. Donn gehts an de Rhain und donn widder anuf in Richtung Määnz, Sie wisse schon. Müsse ja widder schaffe gehe." Mittlerweile hat die Frau den klatschnassen Vierbeiner wieder in den Hänger gezwängt und steigt auf ihr Rad. Der Mann tut ihr gleich, fährt los, dreht sich nochmal um und brüllt freundlich: "Also tschee, machs jut" und weg waren die beiden. Als sie außer Sichtweise waren musste ich lange und laut lachen. Leute gibt es, man glaubt es nicht.
Auf einem Schild über den Verlauf des Radweges steht oben rechts die Legende. Interessant ist hier, dass der Mainweg in der Legende einen grünen Strich darstellt, in der Karte allerdings rot ist. Ob dieser Fehler schon jemandem aufgefallen ist? Die Werbeagentur sollte sich ihr Lehrgeld wiedergeben lassen.
Dann erreichte ich Wertheim am Main.
Auf der gegenüberliegenden Mainseite haben wir vor einem Jahr übernachtet. Gerne denke ich daran zurück, sitze auf einer Bank und lasse meine Erinnerungen freien Lauf.
Entlang der Tauber liegen nun noch 30 Kilometer vor mir bis nach Tauberbischofsheim. Dort möchte ich meinen Bruder Erich besuchen, also mein nächster Ziel- und Übernachtungsort.
Nach 15 Kilometer halte ich am Kloster Bronnbach an. Mein Hinterteil freut sich auch sehr. Als ich vor dem Kloster stehe wird anhand der vielen gut gekleideten Menschen schnell klar, dass hier gleich eine Hochzeit stattfinden wird.
Ohne lange zu zögern, war dies eine Einladung auch an mich, an dem Gottesdienst teilzunehmen.
Nach einer Stunde schritt das Brautpaar vor die Kirche, um dort, wie üblich die Gratulanten in Empfang zu nehmen. Auch ich gratulierte dem Brautpaar unbekannter Weise, drückte dem Bräutigam ein Traktat in die Hand: "Der Schritt in ein neues Leben mit Gott", wünschte alles Gute für die Zukunft und viel Spaß heute an deren Hochzeitsfest mit ihren Gästen.
Im Edeka, kurz vor Tauberbischofsheim trinke ich gerade meinen Kaffee.
Im Edeka in Hofbieber hat die gleiche Tasse 1,60 €, in der Landbäckerei in Steinbach gestern 90 Cent und hier in Tauberbischofsheim 2,10 € gekostet. Die Tassengröße war überall gleich. Also stimmt es; je weiter man in Deutschland Richtung Süden kommt, desto teurer wird es. Der Hammer!!!
Um 18.00 Uhr klingele ich an der Türe. Erich freut sich riesig, wir drücken uns brüderlich. Schnell kommen wir ins Gespräch, auch weit unter der Oberfläche. Um 22 Uhr schlendern wir 5 Minuten in die Stadt; ein Volksfest: 45 Jahren Altstadt erreicht mit lauter Musik gerade seinen Höhepunkt. Wir trinken Bier und essen Currywurst mit Pommes. Als wir wieder zu Hause ankommen, reden wir weiter bis 4.00 Uhr heute morgen und finden einfach kein Ende. Irgendwann falle ich dann doch todmüde ins Bett und schlafe nach einem kurzen Gebet schnell ein. Der geplante Gottesdienst fällt heute am Sonntag leider aus. Erich hat ein Frühstück vorbereitet, als ich um 12 Uhr noch völlig verknittert aus der Dusche steige.
Erich büffelt gerade für die Uni, ich spiele Klavier und wundere mich ein wenig, warum mein älterer Bruder die bereits überreifen und schmackhaften Himbeeren in seinem Garten noch nicht aufgefuttert hat.
Später unternehme ich alleine eine kleine Radtour durch die Innenstadt.
Die Stadt ist noch voller Menschen, die das Stadtfest am Sonntag ausklingen lassen.
Am Bahnhof vorbei führt mich der Weg auf den Marktplatz. Ich telefoniere lange mit Rosi und berichte über unsere Aktivitäten. Um 17 Uhr hole ich Erich ab und wir fahren gemeinsam durch das liebliche Taubertal nach Lauda.
Hier müssen wir zwingend unseren Durst löschen. Immer wieder haben wir uns viel zu erzählen.
Sehr lange ist es her, dass ich mit meinem Bruder alleine so viel Zeit verbringen darf. Er erzählt mir viel aus seinem Leben. Wir verstehen uns gut. Wieder zu Hause angekommen essen wir gemütlich in der Küche zu Abend. Ein sehr schöner Tag geht zu Ende.
Montag, 8. Juli 2019
Gut geschlafen, Erich hat schon um 8.30 Uhr das Haus verlassen und ist auf dem Weg zu Uni. Ich frühstücke kurz und nutze heute nochmal das schöne Wetter, um hier ein paar Impressionen von Tauberbischofsheim festzuhalten.
Zum Schluss meiner kurzen Stadtbesichtigung gibt es wieder ein Stückchen Kuchen und eine gute Tasse Kaffee. Hier war bisher der Kaffee am teuersten. Trotzdem wieder ein schöner Tag. GOTT SEI DANK.
Dienstag, 9. Juli 2019
Gestern Abend hatten die Freunde von Erich ein sehr leckeres Essen vorbereitet. Wir aßen draußen auf der Terrasse und erst in der Dunkelheit wurde die Tafel aufgehoben. Heute morgen ist Erich wieder in die Uni verschwunden.
Beate, Jens und ich haben eine Fahradtour über Bad Mergentheim zum Schloss Weikersheim unternommen.
Das Wetter war durchwachsen, zum Teil kalt, aber es hatte zum Glück nicht geregnet.
Leider war mein Accu nicht mehr ganz voll und so konnte ich die 70 Kilometer lange Radtour nicht ganz mitfahren. Auf dem Rückweg durch Bad Mergentheim fuhr ich mit der Bahn zurück nach Tauberbischofsheim. Trotzdem hatten wir eine schöne Zeit mit Besichtigung des Schlosses. Erich lädt heute Abend zum Pizzaessen ein.
Ich esse italienisch: Pasta Gorgonzola. Hm, lecker.
Mittwoch, 10. Juli 2019
Um 8.30 heute radel ich los. Die beiden Freunde von Erich schlafen noch; ich hinterlasse einen kurzen schriftlichen Gruß und lege eine Bibel als kleines Abschiedsgeschenk bei. Als Tauberbischofsheim hinter mir liegt, merke ich erst, wie schweinekalt es ist. Ich friere trotz Pullover und Weste und versuche durch schnelleres Strampeln meinem Körper die nötige Wärme zungeben. Es funktioniert. Goggle Maps hat heute schöne und abgeschiedene Wege für mich vorbereitet. Die Fahrt geht durch Wiesen und Wälder und immer wieder steil berauf und wieder bergab. Nach 20 Kilometer mache ich meine erste Frühstückspause.
Hier treffe ich auf der Route sogenannte Schlepperfreaks, die mit ihren Oldtimern und Wohnwagen eine besondere Tour unternehmen. Aus Fulda kommend fahren sie einmal im Jahr mit ihren sorgfältig restaurierten Traktoren nach Unterfranken. Sehr gesprächig ist die Truppe nicht. Ich fotografiere und fahre auch schon wieder weiter.
Direkt am Radweg befindet sich kurz vor Würzburg in einem kleinen Ort dieses Tretwasserbecken. Mit einem freundlichen älteren Mann komme ich ins Gespräch. Er berichtet mir, dass dieses Becken in Eigenleistung der Mitbewohner des Ortes gebaut wurde, um die Radfahrer und Wanderer, die hier vorbeikommen, eine Erfrischung bei heißen Temperaturen zu ermöglichen. Außergewöhnlich!
Etwa 100 m weiter gibt es diese Quelle, die das Tretbecken mit dem nötigen Wasser vesorgt und der Überlauf in einen nahegelegenen Bach abläuft.
Jetzt geht es nur noch bergab in die Würzburger Innenstadt.
Hier ist für Radfahrer an alles gedacht.
Überführungen, eigene Fahrspuren und sogar Tunnel bieten dem Radler Sicherheit.
Etwa 5 km hinter Würzburg halte ich an diesem besonderen Rastplatz für Wanderer und Radler an. Hier gibt es sogar zwei Liegen, auf denen sich der müde Zeitgenosse ausruhen kann. So etwas Geniales habe ich noch nie gesehen.
Damit diese Gegenstände nicht gestohlen werden, sind sie gut in der Erde verankert. Man hat hier wirklich an alles gedacht, denn der Platz liegt sehr einsam.
Manchmal denkt man, man sei auf dem Holzweg. An dieser Stelle wird der Gedanke zur Gewißheit.
Kurz vor meinem heutigen Ziel Werneck geht der Akku dem Ende entgegen. Ich kann es kaum fassen.
Heute bin ich extakt 70 Kilometer gefahren. Wahrscheinlich liegt es an den vielen Steigungen, die ich heute bewältigt habe.
Mit dem letzten Strom steuere ich Pappert an, esse ein Stück Erdbeerkuchen, trinke eine gute Tasse Kaffee und lade meinen Akku auf. Das dauert; aber nur noch 3 Kilometer trennen mich von der schon vorgebuchten Pension.
Um 18 Uhr schliesst das Kaffeehaus Pappert, mein Akku ist fast halb voll und ich bin zufrieden, muss aber nochmal auf die Toilette. Die Tür ist verschlossen. An der Theke erhalte ich von der freundlichen Bedienung den folgenden Satz: "Auf der Klinke der Tür müssen Sie das Zahlenpasswort eingeben. 2412, denken Sie einfach an Weihnachten. Dann öffnet sich die Tür".
Erst habe ich gelacht, aber später erst verstanden, was die junge Frau meinte. Irgendwie lustig.
Ein kleiner Umweg ist es mir wert, und ich besichtige kurz den Innenhof des Schlosses.
Nach tatsächlich 3 Kilometer stehe ich vor meiner Pension zum Auerhahn. Der Wirt, ein richtiger fränkischer Bauer begrüßt mich mit vollem Mund, aber auf seine Art sehr freundlich.
Er zeigt mir meine Fahrradgarage, und als ich mit meinem Gepäck die gemütlich wirkende Gaststube betrete, schieb er gerade ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. Er schlurft in den nebenliegenden Metzgereiladen, holt ein großes, dickes Buch sichtbar aus einem verschmierten Regal und liest etwas stotternd meinen Namen vor. Aus dem Hinterzimmer brüllt eine Frauenstimme, is scho recht. Der Wirt drückt mir einen Schlüssel in die Hand und murmelt: Treppe nuff, links und donn rechts. Steht dro.
Und jetzt bin ich hier und freue mich auf ein Bett.
Donnerstag, 11. Juli 2019
Um 7.30 ist die Nacht vorbei. Ich habe gut geschlafen, bin der einzige Gast. Als ich nach dem Frühstück wieder auf mein Zimmer gehe, schließe ich die Tür von innen zu und packe meine Sachen zusammen. Nach 15 Minuten ist alles erledigt und ich will die Tür wieder aufschließen. Geht nicht. Nochmal versucht, geht nicht. Nach lagem Hin und Her erreiche ich den Hausherrn. Der wiederum versucht von der anderen Seite die Tür zu öffnen; vergeblich! Der Wirt macht sich davon und mit einer Leiter bewappnet macht er sich nach einiger Zeit auf dem Vordach zu schaffen. Ich öffne das Fenster und sage im freundlichen Ton, dass ich nicht gewillt bin mit meinem Gepäck die Leiter hinunter zu steigen.
Der Wirt bestellt den Schlüsseldienst, der nach etwa 45 Minuten eintrifft.
Er klettert nun die Leiter hinauf und mit ein paar Handgriffen ist die Tür offen und endlich, nach über 90 Minuten, steige ich auf mein Rad und fahre Richtung Bad Kissingen.
Mein Weg führt durch das Schweinfurter Land. Überall treffe ich auf gut ausgeschilderte Radwege in sämtliche Himmelsrichtungen. Von Werneck nach Bad Kissingen sind es nur 30 Kilometer; ich habe Wolfgang versprochen am frühen Nachmittag anzukommen. Es wurden dann doch 43 Kilometer, weil ich Bärbel noch einen kleinen Blumenstrauß besorgt habe. Der Blick in den Himmel ließ nichts Gutes erhoffen. Ja, unser Land braucht Regen, aber beim Radfahren brauche ich nichts Nasses von oben. So hatte ich wiedermal Glück mich unter die Zuschauertribüne eines Sportplatzes zu stellen. Als ich so da stehe und "in die Luft gucke" wie Rosi immer so goldig sagt, schweift mein Blick nach unten, und ich kann meinen Augen fast nicht trauen. Ich springe trotz Regen die Treppen hinunter um mich zu vergewissern. Tatsächlich!
Noch nie in meinem Leben habe ich in freier Natur eine Kreuzotter gesehen.
Ich mache Bilder ohne Ende. Einmalig! Ich bin total begeistert.
Wahrscheinlich war das pussierliche Tier davon nicht begeistert und verschwand, ohne sich nochmal umzudrehen, um mir Schlangenliebhaber "Tschüß" zu sagen in dem aufgeplatzten Betonsockel der Treppe.
Ein wirklich außergewöhnliches Erlebnis mit Seltenheitswert.
Im Regen fuhr ich weiter, immer noch etwas benommen von dem Anblick der Giftschlange. Jetzt regnete es wieder sehr heftig.
An einem Rastplatz mit Hundetoilette wird hier dem Hundelaien, der nur manchmal für seine Tante Grete den Vierbeiner ausführt eine exakte Erklärung für die fachgerechte Entsorgung der Hundekacke mitgeliefert.
Deutliches geht's nimmer.
Mit Blumen im Gepäck erreiche ich pünktlich die neue Wohnung von meinem Freund Wolfgang, die er zusammen mit seiner Frau Bärbel gemütlich eingerichtet hat.
Wir haben uns viel zu erzählen, weil wir als Fundament in unserem Leben ohne Gott nicht mehr leben können. Ausschließlich der Glaube verbindet uns und Gott hat uns eine tiefe Freundschaft geschenkt.
Am Abend darf ich an dem Hauskreise von gläubigen Christen teilnehmen.
Freitag, 12. Juli 2019
Um 9.00 Uhr heute am Freitag radel ich wieder los und muss zunächst zwangsläufig nochmals durch die Innenstadt von Bad Kissingen.
Dieser Kerl sitzt mitten in der Fußgängerzone. Welche Bedeutung ihm zugemessen wird, weiß ich nicht und fahre weiter. Bis Bad Bocklet führt der herrliche Radweg an der Saale entlang. Es ist sehr ruhig in der Natur und ich bin der Einzige, der die schöne Landschaft genießen darf.
Hinter dem Schloss von Bad Bocklet geht es dann steil hoch in die Rhön. Sehr steil, ich komme ganz schön aus der Puste. Mein Akku geht trotz Sparmaßnahmen meinerseits ganz schön in die Knie.
Geschotterte Waldwege, schmale Pfade und sogar Straßen mit Kiesbelag gab es zu bezwingen, im wahrsten Sinne des Wortes. Mein Ziel heute ist Hilders. Aus der Ferne fast in der Horizontale sehe ich schon die Wasserkuppe.
Mein Akku geht dem Ende entgegen. Bei dieser steilen Wegstrecke schaffe ich Hilders nicht. In Gersfeld muss ich meinen Akku aufladen und fahre wieder steil bergab, denn es ist kein anderer Ort in Sicht.
Ich steuere Kaffee Pappert an und darf endlich nach langem Palaver mein Akku an die Steckdose anschließen.
Ich sitze draußen, es kommt ein starker Wind auf, schwarze Wolken welchseln sich mit hellen schnell ab. Die WetterApp verrät mir unwetterartige Regenfälle in Hilders. Ein Bett in Hilders hatte ich schon vorgebucht. Was tun? Ich suchte nach einer Alternative, um in Gersfeld zu übernachten und Hilders abzusagen. Ich war völlig ratlos. Außerdem mußte ich die 10 Kilometer wieder steil berauf, um über die Wasserkuppe nach Hilders zu kommen. Als ich nach dem Füllstand meines Akkus schaute, kam ich mit einem Kunden von Edeka ins Gespräch. Dieser versicherte mir, dass das Gewitter laut Vorhersage frühsten für den Abend zu erwarten sei. Diesen Hinweis nahm ich ernst und begrub meine weitere Recherche nach einer Alternativunterkünften und radelte los, obwohl mein Akku noch nicht einmal halbvoll war.
Mein GoogleMap lotste mich nicht zur Wasserkuppe, sondern zwar auch einen Weg mit steilen Berganstiegen, aber es war erträglich.
Kaum war ich endlich, endlich vor meiner Pension dauerte es nicht lange und ein extrem kräftiges Gewitter ergoss sich über Hilders.
Ich glaube nicht an Zufälle. Grundsätzlich nicht! Gott hat mir den Kunden von Edeka geschickt, und ich konnte trockenen Fußes meine Unterkunft erreichen. Da kann ich nur noch, wie sooft, sagen: GOTT SEI DANK. Ja wirklich: G O T T. S E I. D A N K.
Morgen führt meine Reise wieder nach Hause zu meinem Schatz. Ich bin so dankbar.
Samstag, 13. Juli 2019
Heute morgen schaue ich aus dem Fenster meiner gemütlichen Mansardenunterkunft: Dicke fette Regenwolken so weit das Auge reicht. Ich bete, denke an Sandra mit ihrer Krebserkrankung und an Erich, der Wackelkandidat im Glauben und danke Gott für den ruhigen Schlaf. Hier bin ich auch der einzige Gast und darf mich über ein reichhaltiges Frühstück in der Gastwirtschaft freuen. Anschließend verabschiede ich mich, drücke der Gastwirtin noch ein Büchlein in die Hand mit dem Titel: "Glücklich mit Gott" und stehe draußen vor der Tür im Regen. Ich nutze die Zeit, rufe meine liebe Rosi an und als ich mich auf mein Fahrrad setze, wechselt der Regen in Nieselregen. Jetzt führt der Radweg, der direkt an der Pension vorbei verläuft, nur noch bergab. Ich muß kaum treten, ein kalter Wind pfeift mir um die Ohren und ich bin froh, dass mir Erich seine Regenjacke ausgeliehen hat.
Die Landschaft hier in der Rhön ist einmalig schön. Wieder bin ich allein auf dem Radweg unterwegs und danke schon mal vorab für die erlebnisreiche Radtour. In Unterrückersbach im Landkreis Tann befindet sich am Wegesrand ein Hofladen.
Als Mitbringsel von meiner Tour kaufe ich frisch vom Bauern für Rosi je einen Ring Blut- und Leberwurst, die ich natürlich auch gerne esse. Weiter geht es langsam bergab. Ich sehe einige einsame Bauernhöfe; bei manchen habe ich den Eindruck, dass hier gut gewirtschaftet wird, bei anderen eher das Gegenteil.
Hinter Geisa fängt es heftig an zu regnen, und ich schaffe es gerade noch bis zu diesem Häuschen, ohne extrem nass zu werden. So allmählich geht meine Reise zu Ende und vom Himmel kommt auch kein nennenswerter Regen mehr herunter.
Nach 493 Kilometer mit dem E-Bike komme ich um kurz nach 12 Uhr wieder in Unterbreizbach an. Rosi begrüßt mich freudestrahlend mit einem dicken Kuß und ich sehe ihr an, dass sie ihren Mann endlich wieder wohlbehalten in die Arme schließen kann.
Fazit der Reise: Rückblickend bin ich sehr dankbar für die Bewahrung und für Gottes Schutz, für die vielen interessanten Erlebnisse und Begegnungen mit Menschen, für die wunderschöne Natur und Landschaft in der Mitte von Deutschland und last but not least, dass ich in der persönlichen Beziehung zu meinem Herrn Jesus Christus nie alleine war.