Der 627m hohe Oechsenberg

Samstag, 17. Oktober 2020

In den vergangenen Tagen hat sich die Sonne hier im Osten von Thüringen nicht blicken lassen. Auch hatte es sehr viel geregnet, was die ausgetrockneten Böden und unseren herrlichen Wäldern bestimmt eine längst fällig gewordene Wohltat bescherte. Aber wir Menschen neigen schnell dazu, über das vermeintlich schlechte Wetter zu maulen und zu meckern. Wenn Hundebesitzer sich in diesen Reigen einstimmen, dann ist das Mosern nachvollziehbar. Denn diese Zeitgenossen müssen jeden Tag drei-, vier- oder gar fünfmal mit ihren Fellnasen vor die Haustür und wenn größere Geschäfte zu erledigen sind, werden längere Wege bei strömendem Regen in Kauf genommen werden. Dabei hört dann meist auch die Freude über den bitternötigen Dauerregen auf. Ich gehöre seit über einer Woche jetzt auch zu den „Auch - bei - strömendem - Regen - Hunde - Gassi - Gängern“, weil meine Frau, die sonst mit ihrem Liebling diesen Dienst freudig übernimmt, noch 3 weitere Wochen in einer Reha wieder zu Kräften kommen soll und es coronabedingt sowieso ein Besuchsverbot meinerseits gibt. Ein Blick zum Himmel verrät mir unzweifelhaft, dass sich auch heute bald wieder die Wasserschleusen öffnen werden. Deswegen komme ich mit einer Schnapsidee um die Ecke und möchte mit dem Auto auf den Oechsenberg fahren, um dort oben mit dem Vierbeiner meiner Frau eine kurze Gassirunde zu drehen.
Dieser knapp 630m hohe Berg ist einer der nördlichsten Berge in der Rhön und liegt 13 Kilometer von unserer Wohnung entfernt. Nördlich und östlich wird der Berg von dem kleinen Fluss Oechse umflossen, der in der Nähe entspringt. Die Koordinaten gebe ich ins Navi ein, während Timmy mit einem Satz in den Kofferraum springt.


Nach einer kurvenreichen Strecke endet die Fahrt viel zu früh vor einer Schranke.

Der Ausblick hinunter ins Tal ist wunderschön und so entscheide ich mich schnell, den Rest der Strecke bergauf zu Fuß zurückzulegen. Auch wenn die Sonne sich nicht zeigt, dunkel tiefhängende Wolken über mir nichts Gutes verheißen und eine feuchte Luft das Atmen mir als etwas Frisches und Gesundes vermittelt, so wird mir dieser Gassigang allmählich zu einem freudigen Erlebnis.


Es ist windstill und ruhig. Nur Timmy‘s ständiger Wechsel von links nach rechts geht mir auf die Nerven. Auf den Bilder schlecht zu erkennen: Die asphaltierte Straße geht steil bergan.





Am Wegesrand wachsen Pilze, einfach so. Kein Mensch hat sie gepflanzt. Wieso oft in meinem Leben spüre ich Gott in meiner Nähe. Er ist der Schöpfer, auch dieser Pilze. Und jedes saftig grüne Blatt an den Bäumen hat eine andere Form. Einfach nur genial! Ich atme immer wieder tief durch und genieße die mit Feuchtigkeit geschwängerte Luft.


Ein kleines Schild am Wegesrand: Steinmeier. Ach nee: Steinmeer. Über den Oechsenberg habe ich noch nichts gelesen und was sich ggf. für Sehenswürdigkeiten rund um den Berg dem interessierten Wanderer auftun. Neugierig folgen wir dem Schild, Timmy und ich.



Tatsächlich eröffnete sich uns ein weites Blickfeld über eine große Steinplantage. Dieses Steinmeer interessierte mich nun brennend und so recherchierte ich zu Hause im Netz. Hier die Original-Erklärung aus dem Internet:

"Der 627 Meter hohe Öchsen und sein Nachbar, der Dietrichsberg, bestehen aus 200 Millionen Jahre altem Muschelkalk und Buntsandstein, welche vom Vulkanismus vor etwa 20 Millionen Jahren durchdrungen wurden. Bei Abkühlung der beiden Schichtvulkane sonderte sich die Basaltschlacke in sechseckigen Säulen ab.Ab dem 17. Jahrhundert wurde der Basalt abgebaut. Mit Fuhrwerken oder mit Tragen brachte man das gelesene und behauene Baumaterial mühsam ins Tal. Um 1900 stieg die Nachfrage sprunghaft an: Der Grund waren der Straßenbau und die Errichtung von Eisenbahnstrecken. Dafür wurde vor allem Schotter benötigt.Im Jahr 1897 eröffnete am Öchsen das erste Basaltwerk. Die neue Industrie expandierte. Von 1899 bis 1975 transportierte eine Drahtseilbahn den Basalt über 2,5 Kilometer zur Bahnstation in Vacha. Zu DDR-Zeiten wurden vom Berg 15 Meter abgetragen und dieser für Wanderer gesperrt. Lag die Jahresproduktion um 1900 bei 150 Güterwagons, stieg sie bis 1986 – als der Betrieb am Öchsen geschlossen wurde – bis auf 6.000 Wagonladungen. Am benachbarten Dietrichsberg wird bis heute Basalt gefördert.Gleich nach der »Wende« wollte ein Firmenkonsortium die Produktion am Öchsen wieder aufnehmen. Durch engagierten Einsatz naturverbundener Bürger der Region konnte dies verhindert werden. 1990 wurde der Berg unter Naturschutz gestellt und bis 1992 aufwendig renaturiert. Heute ist er Teil des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön.Unser Verein hat die Wanderwege auf dem Öchsen und dem Dietrichsberg wieder erschlossen. Informationstafeln weisen auf Flora und Fauna und die lange Besiedlungsgeschichte der zwei Berge hin. Das 1999 auf dem Gipfel errichtete Keltenkreuz ist ein Zeichen dafür, aber auch Wegmarke für Nah- und Fernwanderwege.Hier oben lädt unsere Wander- und Vereinshütte zu einer Rast sowie einem fantastischen Rundblick über die Rhön, den Thüringer Wald und das Knüllgebirge in Hessen ein."




Timmy muß am abgesägten Baum warten, damit ich ungehindert meine Fotes schießen kann; aber er nimmt‘s gelassen.



Die asphaltierte Straße mündet nun in einen schlecht geschotterten Weg. Das habe ich mir so nicht vorgestellt. Die nassen Blätter am Boden werden zunehmend zu einer Rutschpartie.




„Hätte ich mir doch andere Schuhe angezogen“, denke ich mir. Aber nein! Ich wollte doch mit dem Auto bis obenhin fahren. Schitt! Schnell sucht man nach Ausreden, aber mein Plan war doch ein anderer.



Ich gehe weiter, plötzlich endet der mir liebgewonnene Schotter und nun gehe ich grimmig auf feuchtem und teils aufgeweichtem Waldboden weiter bergauf. Timmy, der feine Pinkel, macht ebenfalls große Bögen um die matschigen Bodenbeläge, die mit braunen Blättern übersät an der Erde kleben. Meine Schuhsohlen sind schon total versaut; ich spüre, wie ich Erdklumpen ungewollt mit mir herumtrage. So langsam wird es ungemütlich.



Den noch einen Kilometer entfernten Aussichtspunkt mit der großen Basaltbruchwand muß ich leider auf ein anderes Mal verschieben. Wer weiß, wie sich diese schlechte Wegführung noch entwickelt. Ich denke an meine Wanderung in Griechenland. Dort mußte ich allerdings umkehren, weil es zu gefährlich wurde. Irgendwie bin ich nach einem Marsch von einer guten Stunde sauer, nicht ans Ziel gekommen zu sein. Andererseits freue ich mich, dass ich trotz total versauten Schuhen noch keine nassen Füße habe. „Man kann eben nicht alles haben“, sage ich auch immer zu meiner Frau. Bergab geht es schneller und bald schon stehen wir, Timmy und ich wieder an unserem Ausgangspunkt.


Ein Wegweiser zeigt den Ort Rodenberg an, der über eine sehr schmale Straße erreichbar scheint. Wenn mir schon der Weg auf den Oecksenberg versperrt war, so will ich doch wenigstens mal nach Rodenberg fahren, wo ich auch noch nie gewesen bin. Obwohl unser Kleinwagen laut Papieren 110PS vorweisen kann, muß ich zeitweise in den 2. Gang runterschalten, um die extrem steile und kurvige Straße zu erklimmen. Leider kann ich hier oben keine Bilder machen, denn die Straße endet als Sackgasse auf einem Bauernhof. Hier wirkt alles irgendwie unheimlich; weil sich kein Mensch in dieser extremen Einsamkeit blicken läßt.



Bei lautem Hundegebell aus einem Zwinger neben mir verlasse ich den Ort, bestehend aus vier Häusern, und rolle rückwärts zurück an eine breitere Stelle, wo ich den Wagen drehen kann.



Auf einer Weide in der Nähe sehe ich diese wolligen braunen Hochlandrinder. Mußte ich natürlich auch erst googlen.



Diese zotteligen Kühe und Ochsen mit langen Hörnern kommen ursprünglich aus Schottland. Ob sich diese Tiere hier in Thüringen genauso wohlfühlen, wie auf der Insel, kann ich nicht beurteilen.


Auf jeden Fall scheinen die Ochsen das Stroh nicht ausschließlich zu fressen, sondern tragen es stolz auf Kopf und Rücken durch die Gegend. Jetzt fängt es doch tatsächlich an zu regnen. Ich steige ins Auto und rolle die steile Trasse wieder zurück in die Zivilisation. Timmy hat sich derweil im Kofferraum verabschiedet und schnarcht laut und zufrieden (wie mir scheint) vor sich hin.

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