Pferdsdorf - Ein Dörfchen in Thüringen

Freitag, 2. Oktober 2020

Nicht weit von unserem Wohndomizil liegt das kleine Dorf Pferdsdorf in der Rhön. Mit dem Fahrrad sind wir schon oft durch den kleinen unscheinbaren Ort geradelt, aber bei genauerem Hinsehen hat dieses irgendwie gemütlich wirkende Dörfchen vieles zu bieten.

Schon am Orteingang wird dem Besucher erklärt, dass Pferdsdorf in der Rhön liegt, und zur Gemeinde Unterbreizbach, dem Wartburgkreis gehört. Die Wartburg ist eine Burg in Thüringen, die hoch oben über der Stadt Eisenach am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes liegt.

Hinter dem Ortsschild wird der interessierte Besucher mit einem "Herzlich willkommen!" begrüßt. Über diesem Text scheint ganz wichtig nachzulesen, dass Michael Berk, seines Zeichens Weltmeister im Kickboxen hier beheimatet ist. Diesen Weltmeistertitel habe ich noch nie gehört, geschweige denn diese merkwürdige Sportart. Google gibt mir diese Hilfestellung: "Kickboxen ist eine wettkampforientierte Kampfsportart, die aus einer Kombination von effektiven Kampftechniken von verschiedenen Kampfsportarten wie Boxen und fernöstlichen Tritttechniken (insbesondere Tae Kwon Do) entstanden ist. Dieser Sport kann grundsätzlich von jedem ausgeübt werden. Beim Kickboxen werden die Schlag- und Titttechniken durch Boxhandschuhe, Schienbeinschützer und auch Kopfschutz abgefedert, so dass ein Kampf ohne Verletzungen möglich ist." Was es nicht alles gibt; das wäre überhaupt nichts für mich.

Dahinter steht eine Kipplore mit der Aufschrift: "Glück auf". Hinweis dafür, dass ab 1905 mit dem Kalibergbau begonnen wurde. Der Einlass ist schon anstrengend.

Mein erstes Ziel ist die evangelische Marienkirche, die 1766 im Stil des Barocks errichtet wurde. Evangelisch und dann Maria? Merkwürdig.

In den vergangenen Jahren wurde das zwischenzeitlich nicht mehr nutzbare Bauwerk gesichert und saniert. Unter anderem baute man zur Stabilisierung des Kirchturmes Stahlträger ein und beseitigte Holzschäden.

Leider war die Kirche verschlossen. Um den Schlüssel zu erhalten, klingelte im gegenüberliegenden Pfarrhaus. Auch hier meldete sich niemand. Schade!

Die Kirche ist von einer Wehrmauer umgeben, sie bot den Bewohnern in den vergangenen Zeiten Schutz vor Eindringlingen.

Hier stehen viele gut erhaltene Holzfachwerkhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Unweit der Wehrmauer höre ich das laute Schnattern dieser Gänse. Noch watscheln sie fröhlich an dem Bach Mulde entlang. Sicher werden sie in weniger als drei Monaten als Braten zum weihnachtlichen Festessen serviert.

Gut und beruhigend, dass sie über ihre Zukunft nicht nachdenken können.

Mich wundert, dass am großen und alten Kastanienbaum, der mitten auf der Straße steht, noch grüne Blätter hängen. Der kleinere und wesentliche jüngere Baum davor allerdings schon sichtbar sein Herbstgewand angelegt hat.

In Pferdsdorf ist an alles gedacht. Es gibt einen großen Kindergarten und eine Feuerwehr, die zusammen im Gemeindehaus untergebracht sind. Ein Lebensmittelgeschäft gibt es aber nicht mehr.

Ängstlich ist sie nicht, die kleine Katze; nachdem ich das Foto gemacht habe, schleicht sie sich langsam und unerschrocken davon.

Im Jahr 2012 konnte das 1100-jährige Bestehen gefeiert werden; dazu wurde eigens dieser Brunnen am Rande der Wehrmauer errichtet.

Die Brücke, die nach der Wende hier die Ulster überquert, wurde erneuert.

Ihn findet man immer noch. Gut sieht er aus, der Trabbi hat zum Kultobjekt der ehemaligen DDR mutiert.

Einige Schritte weiter steht das alte Bahnhofsgebäude, dass schon lange in Privatbesitz übergegangen ist.

Das Wandbild zeigt an, wie sich die Zeit verändert hat. Hinter dem Bahnhof wurden schon vor der Wende die Gleise entfernt.

Heute führt hier der Radweg Grünes Band entlang. Wo bis vor 30 Jahren die innerdeutsche Grenze das Land zerriss, verläuft heute eine der schönsten Fernradrouten Europas – mitten im Grünen. Die Spuren der Teilung sind kaum noch sichtbar.

Mitten im Ort kann ich sogar ein Backhaus entdecken. Ob das Häuschen allerdings noch im Gebrauch ist, konnte ich nicht herausfinden. Wie die Situation heute in den Dörfern ist, so zeigt sich Pferdsdorf auch; ich treffe keinen Menschen auf den Wegen oder in den kleinen Gässchen. Nur konnte ich beobachten, dass sich einige Gardinen an den Fenstern merkwürdig bewegten. Ein Mann mit Fahrrad und Kamera, der auch noch fotografierte.... das schien den neugierigen Bewohnern in den kleinen Häuschen doch sehr seltsam und geheimnisvoll.

Ein Ort kann noch so klein sein, aber das haben sie außnahmslos alle: einen Sportplatz.

Hier wird sicher auch wieder gekickt, wenn Corona sich hoffentlich bald wieder verabschiedet.
 Ich schwinge mich wieder auf mein E-Bike und radel durch den Wald auf dem Grünen Band in Richtung Unterbreizbach. Als ich mich nochmal umdrehe, um Pferdsdorf ADIEU zu sagen, fällt dieser große weiße Vogel in sehr weiter Entfernung in mein Blickfeld. 

Nochmals halte ich an und schieße dank Tele dieses Bild. Einmalig!

Auf dem Asphalt reihen sich schon die ersten gelben Blätter aneinander, und ich stelle fest: Es wird Herbst.


Kurz vor Unterbreizbach baut die Gemeinde, na, wie soll ich sagen, einen Wasserspielplatz, einen Park, einen Freizeitplatz, einen Womostellplatz, wie auch immer, auf jeden Fall so etwas ähnliches. 

Als ich neulich auf der Gemeinde meinen verlängerten und wie man mir versicherte fälschungssicheren Personalausausweis abholte, konnte man mir auf die Frage, was man dort bauen wolle, auch keine korrekte oder konkrete Antwort geben. Auch sehe ich nirgendwo eine große Tafel, die den Bürger über das Bauvorhaben informiert. "Hier baut die Stadt oder das Land..." und so weiter. Auf jeden Fall nimmt hier die Gemeinde viel, wenn nicht gar sehr viel Geld in die Hand. Wahrscheinlich irgendwelche Fördermittel, die, wenn man sie nicht ausgibt, nach einer zeitlich begrenzten Frist nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das Baugebiet ist nicht eingezäunt, und ich bin gespannt oder mich treibt die Sorge um, wann diese Betonsitzplätze, die mehrfach auf dem Gelände platziert sind, mit Graffiti Schmierereien versaut sind. Hohe Sandhaufen sind über den ganzen Platz verteilt.

Weiter hinten werden gepflasterte Wege vom Feinsten angelegt.

Die ersten verschieden großen Behälter, besser gesagt: Volksbadewannen, die das fließende Wasser künftig zu Tal, bzw. in die Ulster befördern sollen, sind auch schon installiert.

Bodenwellen und Hügel mit teuren Granitsteinen und schräg gepflasterte Pflanz- und Wiesenumrandungen sind in Arbeit.

Es ist Freitag, 15.15 Uhr. Die Bauleute haben sich längst ins verdiente Wochenende verabschiedet. Es gibt noch viel zu tun hier auf der Baustelle. Wenn ich jetzt in Coronazeiten an die Schule oder den Kindergarten hier im Ort denke, frage ich mich: Wäre das viele Geld dort nicht sinnvoller angelegt? Aber mich fragt ja keiner!

back | next
zurück