23. März 2017
Nein, so schief ist der Turm nun doch nicht.
Dicke dunkle Wolken zogen über Pisa, als wir den Stellplatz außerhalb der Stadt gestern am späten Nachmittag erreichten.
Der Schock von Florenz lag noch tief und so genehmigten wir uns erstmal eine Flasche Chianti, die wir uns in der Toskana gekauft hatten. Das der edle Tropfen so gut schmeckt, hätten wir beide nicht gedacht.
Erst später bemerkten wir, dass in dem Wohnwagen neben uns eine Familie mit drei Kindern lebt. Ja, sie scheinen hier zu leben. Bilder von der Familie habe ich bewußt keine gemacht, um sie in ihrem Elend nicht zu kränken. Es tat uns sehr leid. Aber wie wir wissen, gibt es auch in Deutschland Menschen, die sich keine Wohnung mehr leisten können und ihr Dasein auf einem Campingplatz fristen müssen. Traurig!
Nun das Original; aber ehrlich: So schief hatten wir uns den Turm nicht vorgestellt. Auf Postkarten oder in Geschichtsbüchern sah das Bauwerk nicht so schief aus, als es sich in Wirlichkeit darstellt.
Der 55 Meter hohe Turm war als freistehender Glockenturm (Campanile) für den Dom in Pisa geplant. 12 Jahre nach der Grundsteinlegung am 9. August 1173, als der Bau bei der dritten Etage angelangt war, begann sich der Turmstumpf in Richtung Südosten zu neigen.
Daraufhin ruhte der Bau rund 100 Jahre. Die nächsten vier Stockwerke wurden dann mit einem geringeren Neigungswinkel als dem bereits bestehenden gebaut, um die Schieflage auszugleichen. Danach musste der Bau nochmals unterbrochen werden, bis 1372 auch die Glockenstube vollendet war.
Der Grund für seine Schieflage liegt in dem Untergrund aus lehmigem Morast und Sand, der sich unter dem Gewicht verformt. Neuesten Ausgrabungen zufolge steht er am Rand einer ehemaligen Insel direkt neben einem antiken, zur Bauzeit bereits versandeten Hafenbecken. Die Schieflage des Turms beträgt nach Ende der Sanierungsarbeiten rund vier Grad, entsprechend einer Auslenkung an der Spitze von 3,9 m (bei rund 55,8 m Höhe).
Im Inneren des Turmes hängt ein Pendel, welches oben in der Mitte befestigt ist, durch die Schieflage unten allerdings beinahe die Seitenwand berührt.
Vom 7. Januar 1990 an musste der 14.500 Tonnen schwere Turm für Besucher gesperrt werden, da die Schräglage zu gefährlich wurde. Es gab eine weltweite Aufforderung an Baustatiker, die besten Lösungen zur Stabilisierung auszuarbeiten und einzureichen. Nach 13-jährigen Sanierungsmaßnahmen, bei denen der Turm wieder um 44 Zentimeter aufgerichtet wurde, ist er seit Dezember 2001 wieder für Touristen geöffnet.
Besucher können den Turm zu jeder viertel Stunde in Gruppen von maximal 40 Besuchern für eine Dauer von 15 Minuten besteigen. Der Aufstieg von 18 € und 293 Stufen war uns einfach zu teuer und auch zu anstrengend.
Somit beschränkte ich mich auf ein paar wenige Bilder in der Kathedrale, die auf mich ziemlich dunkel wirkte.
Das benachbarte runde romanische Baptisterium von 1358 ist etwa einen Meter höher als der Turm.
Es soll die größte Taufkapelle der christenlichen Welt sein, wobei mir nichts derartiges im Inneren darauf hin deutete.
Wir verlassen die Altstadt wieder und radeln zurück zum Womo, um uns auszuruhen.
Gäbe es diesen Turm nicht, würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, Pisa zu besuchen.
Denn ich bin heute nachmittag nochmals alleine ins Zentrum fahre und war doch ziemlich enttäuscht von dieser schmucklosen Stadt, die außer dem Dom und der Kathedrale wenig an Schönheit zu bieten hat. Wir bleiben noch eine Nacht und wollen morgen weiterfahren.