Die Braunbären von Torgau an der Elbe


     Dienstag, 27. August 2024     


Heute, gegen Mittag setze ich meine Reise fort. Hinter Dresden und Moritzburg verwandelt sich die Landschaft allmählich in eine weite, zum Teil waldreiche, aber auch mit riesigen abgeernteten Feldern einsame Gegend, soweit das Auge reicht. Die meiste Zeit bin ich auf den sehr gut ausgebauten Straßen alleine unterwegs.


Mein heutiges Ziel ist Torgau an der Elbe im Freistaat Sachsen. Zunächst steuere ich den kostenlosen Stellplatz nahe dem Zentrum der etwa 20.000 Einwohner zählenden Kreisstadt an.


Das Wetter ist wirklich traumhaft. Der wolkenlose blaue Himmel, ein leichter kühler Wind und die mächtigen, warmen Sonnenstrahlen laden mich, ohne lange zu pausieren zu einer Radtour ein.



Von der Elbebrücke habe ich einen fantastischen Blick auf das Schloss Hartenfels und den Fluss, der sich lieblich in die flache Landschaft einbettet.



Mir scheint, dass es hier lange nicht geregnet hat.

Erst gestern durfte ich ein Schloss bewundern, heute schaue ich mir nur den prunkvollen Eingang an.



Der Schlossbau wurde im 15. Jahrhundert von Konrad Pflüger, einem Schüler Arnolds von Westfalen begonnen und im 16. Jahrhundert von Konrad Krebs fortgeführt. Es handelt sich um das größte vollständig erhaltene Schloss der Frührenaissance Deutschlands und eines der Hauptwerke der Sächsischen Renaissance.

Auch Martin Luther, Zar Peter der Große und Napoleon waren hier gern gesehene Gäste.

Am 5. Oktober 1544 predigte Luther auf Schloss Hartenfels anlässlich der Einweihung der neuen Schlosskapelle. Es sollte das erste und einzige Mal bleiben, dass Luther einen Kirchenneubau in Dienst nahm, der eigens für den evangelischen Gottesdienst errichtet worden war.

Diese Amtshandlung sollte einer der letzten Besuche Luthers auf Schloss Hartenfels sein. Er war zuvor bereits häufiger auf Geheiß des Kurfürsten von Wittenberg nach Torgau gerufen worden – allein 4 Mal im Jahr 1532 an das Sterbebett und schließlich zur Testamentseröffnung von Kurfürst Johann dem Beständigen.

In unmittelbarer Nähe steht ein Denkmal der Befreiung. Angesichts der heutigen und vielleicht auch drohenden Kriegsgefahr macht mich die Inschrift sehr nachdenklich.





Am 25. April 1945 treffen amerikanische und sowjetische Truppen in Torgau an der Elbe zusammen, was den Beginn der Nachkriegszeit in Deutschland markiert.
Gott ist der alleinige Friedefürst, aber wir Menschen haben aus der Vergangenheit nichts dazu gelernt.



Ein Stück weiter gibt es einen weiteren, allerdings kostenpflichtigen Stellplatz direkt an der Elbe, dessen Boden sehr schräg zur Elbe abfällt. Im April 2016, auf unserer ersten Wohnmobiltour haben Rosi und ich hier schon mal übernachtet. Acht Jahre her, wie doch die Zeit vergeht.


Schlossansicht von der Rückseite.


Leider habe ich heute meine Digitalkamera nicht dabei. Der Bär scheint zu schlafen.

500 Jahre Bärentradition auf Schloss Hartenfels

Bereits im Jahr 1425 wurde der erste Bärenfang von Herzog Friedrich dem Streitbaren erwähnt. 1452 legte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige den ersten Bärengraben an, der bis 1624 stetig vergrößert wurde. Zuletzt bot er Platz für bis zu 39 Bären. Diese wurden nicht zur Beobachtung gehalten, sondern dienten dem kurfürstlichen Jagdvergnügen als Beute. In inszenierten "Bärenhatzen" wurden die Tiere im Schlosshof zur Unterhaltung der schaulustigen und jagdfreudigen fürstlichen Gesellschaft aufeinander gehetzt. Mein Kommentar: Schrecklich!

1624 erhielt der Bärengraben unter Kurfürst Johann Georg I. seine heutige Gestalt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Bestand vollständig vernichtet. Danach wurde der Bestand offenbar wieder aufgefüllt, denn 1759 sorgte die preußische Armee des Prinzen Heinrich in ihrer Heeresverpflegungsorder finanziell für die Fütterung der "wilden Tiere". Die Schlacht bei Torgau 1760 unterbrach die Tradition. Im Bärengraben gab es vorerst keine Tiere mehr, stattdessen trockneten dort die Soldaten ihre Kleidung.

Erst in den 1950er-Jahren starteten Initiativen zur Wiederbelebung der Bärentradition in Torgau. Der damalige Museumsleiter, Lehrer Markus, richtete eine Bitte um Bären für Torgau an den Zoologischen Garten Leipzig. Der Bärengraben wurde in etwa 5000 freiwilligen Arbeitsstunden aufgebaut, und 1953 zog mit den vier Bären Kuno, Quistel, Moritz und Katja wieder Leben ein.

Nur drei Jahre später begann die Zucht der Raubtiere. 1965 waren aus dem ersten Stammbesatz 58 Nachkommen geboren, die überwiegend an Zirkus-Unternehmen abgegeben wurden. In den letzten Jahrzehnten schrumpfte der Bestand der Bären stetig, bis im Sommer 2015 durch Bea und Benno wieder Zuwachs zu verzeichnen war.



Nach einem kurzen Pfiff meinerseits, hebt das schwergewichtige Raubtier seinen mächtigen Kopf und schaut mich blöde an. Vielleicht hat er Hunger, denke ich. Wir sind nur ca. 5 Meter auseinander. Irgendwie fühle ich mich unsicher, fast schon hilflos und verlasse mit schnellen Schritten diese Brücke zum Schloss. Was wäre gewesen, wenn sie gerade in diesem Augenblick einstürzt. Meine Gedanken verschwinden schnell, als ich in den Innenhof eintrete.





Stadtkirche von Torgau



Der Schlossgarten



Dem Rathaus und den umstehenden Gebäuden auf dem Marktplatz schenke ich zum Schluss meiner Tour die volle Bewunderung.

Immer noch ist es herrlich warm; unser Wohnmobil steht mittlerweile im Schatten, was für den Kühlschrank eine Erholung bedeutet. Ich mache es mir gemütlich und plane jetzt schon den nächsten Tag.
Immer wieder kann ich dankbar sein für alles, was Gott schenkt. So auch heute am Dienstag!


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